Prozessoptimierung ist überraschenderweise immer noch sehr begehrt. Dabei handelt es sich um ein Konzept aus dem späten 20. Jahrhundert. Damals hatte man begonnen, auch außerhalb von Produktionsumgebungen gleichartige Aufgaben durch generelle Festlegungen in Prozessen zu regeln und für alle als verbindlich zu erklären. Wollte man in einer solchen Umgebung wahlweise die Effektivität oder Effizienz steigern, analysierte man die dokumentierten Prozesse, zerlegte sie und eliminierte überflüssige Schritte oder fand bessere Wege, sie auszuführen.
Zur gleichen Zeit machten sich die Massenfertiger bereits daran, in ihren Produktionen die nächsten Schritte zu gehen: Die möglichen Alternativen bzw. Varianzen zu reduzieren und Ausnahmen sowie ganz generell alle Überraschungen zu eliminieren. Die Ergebnisse, vollstandardisierte Prozesse, ließen sich mit eindeutigen Algorithmen beschreiben und mit dem Fortschreiten der IT-Technologie und Robotern einfach automatisieren.
Automatisierte Prozesse haben den Vorteil, dass sie per so schon 200mal schneller und kostengünstiger sind als manuelle Prozesse. Wenn wir dann noch berücksichtigen, wieviel Mehraufwand die üblichen Ausnahmen und Korrekturen manueller Prozesse erzeugen, wird der gigantische wirtschaftliche Unterschied offenbar. Dieses erkannten insbesondere Handels- und Dienstleistungsplattformen im Internet und begannen die Kostenvorteile konsequent für sich und den Ausbau ihres Geschäfts zu nutzen. Mit Pflichtfeldern stellten sie die Datenpflege durch den Kunden sowie Full Set – die jederzeitige Vollständigkeit – der Daten sicher und boten jeweils nur wenige automatisierte Auswahloptionen, z.B. für den Zahlungsverkehr oder die Adressauswahl, an. Ihr laufender Aufwand: quasi gleich null.
Im Ergebnis all dieser Entwicklungen gibt es inzwischen insbesondere für alle Warenwirtschafts-, Logistik- und Auftragsabwicklungsprozesse entweder bereits vollautomatisierte Spezialdienstleister oder eine breite Auswahl komfortabler und kostengünstiger Softwarelösungen. Und täglich kommen neue Programme für weitere Prozesse hinzu. Da entsteht ein schier unerschöpfliches Reservoir an Produktivitätsbausteinen.
Wer sich also im Jahr 2019 mit Aufgaben beschäftigt, die ihrer Natur nach wiederkehrend gleich und damit grundsätzlich standardisierbar sind, und das mit der Zielsetzung tut, seine Prozesse „nur“ zu optimieren, gleicht jemandem, der sich vom Tuning seiner Kutsche den Durchbruch verspricht.
Während alle um ihn herum entweder schon ihren einzigen automatisierten unschlagbar günstigen Geschäftsprozess entwickelt haben, den globalen Benchmark nutzen oder neben ihrer klassischen IT-Abteilung eine Automatisierungsabteilung oder sogar ein Software-Scouting betreiben. Um jeweils die besten Lösungen zu finden und sie alle geschickt miteinander zu kombinieren. Und bildlich gesprochen mit ihrem Lambo oder dem Hochgeschwindigkeitszug locker am getuneten Kutschfahrer vorbeizubrausen. In die Gegenwart.
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