Ob wir tatsächlich immer dümmer werden, wie es der Film „Idiocracy“ überzeichnet, lässt sich schwer abschätzen. Allerdings ändern sich viele unserer Verhaltensweisen, und das nicht selten zu unserem Nachteil. Das gilt zumindest dann, wenn wir erfolgsnotwendige Bestandteile vernachlässigen.
Eine besonders triviale wie auffällige Veränderung könnte mit der Reizüberflutung unserer Zeit zusammenhängen. Dabei wird es generell immer wichtiger, Signale zu übersehen, auszublenden und nicht auf sie zu reagieren. Ein gutes Beispiel sind die allgegenwärtigen Kundenzufriedenheitsbefragungen nach dem Motto „nehmen Sie sich bitte einen Moment Zeit“. Nein, werde ich ganz bestimmt nicht tun, sonst komme ich zu gar nichts mehr.
Nicht zu reagieren, ist allerdings dann zu unserem Nachteil, wenn wir uns in einem Kommunikationsvorgang mit echten Menschen befinden. Generell ist Kommunikation nämlich eine zweiseitige Angelegenheit und besteht entsprechend nicht nur in den theoretischen Modellen aus dem Austausch von Signalen und Reaktionen:
Wer die Erwartung der Zweiseitigkeit von Kommunikation in Frage stellt, sollte mal probieren, die Aufforderung des Lebenspartners „Wann wolltest Du denn den Müll endlich rausbringen?“ zu ignorieren. Und trotz der vermeintlichen Trivialität treten immer mehr Fälle auf, in denen Menschen der Meinung sind, ihre Reaktion sei nicht erforderlich. Ganz besonders dann, wenn der Sender der Nachricht nicht persönlich mit weit aufgerissenen Augen vor ihnen steht, sondern „nur“ Verfasser einer Nachricht oder E-Mail ist.
Dabei ist das Unterlassen einer Reaktion nicht nur unhöflich, sondern führt auch objektiv zu Mehraufwand. Das lässt sich mit Hilfe einiger Fälle aus dem echten Leben aufzeigen:
- „Du hast mir eine Aufgabe gesendet. Ich bearbeitet sie ja, deshalb antworte ich nicht.“
Kann man so machen, aber da auch Abwesenheit, Ablehnung oder Weitergabe der Aufgabe Ursache für eine ausbleibende Antwort sein kann, muss der Empfänger damit rechnen, dass der Sender nachfragen wird, ob und wann er mit unserem Ergebnis rechnen kann. Das kostet beide zusätzliche Zeit. Der Sender wird vielleicht auch schlecht über seinen Gegenüber reden, weil er sein Verhalten als unzuverlässig empfindet.
- „Du hast mich gefragt, ob ich Anmerkungen habe, ich habe keine, also antworte ich nicht.“
Hier führt die ausbleibende Antwort dazu, dass der Sender bis zu einer Reaktion nicht fortfahren und deshalb die Aufgabe nicht abschließen kann. Auch er wird nachfragen oder die Erledigung vergessen. Oder er wird fortfahren und die verspätet doch noch eingehenden Kommentare ignorieren, was der wiederum der Empfänger ihm negativ auslegen wird.
- „Du hast mir ungefragt Informationen gesendet, weil ich nicht danach gefragt habe, brauche ich auch nicht zu antworten.“
Hierfür gelten alle bereits genannten Argumente über Nachfragen, Mehraufwand und negative Wirkung analog. Darüber hinaus wollen wir uns nicht ausmalen, wie das ist, wenn sich Menschen nur noch kontaktieren, wenn sie danach gefragt haben. Dann werden sie nie ungefragt Unterstützung erhalten, nie vom Zufall profitieren können und ihr Erfolg wird ausschließlich von ihrer eigenen Energie und ihren eigenen Ideen abhängen. Ob sie das wirklich wollen?
Ironischerweise führt solcherlei modernes Verhalten gerade nicht zu der beabsichtigten Zeitersparnis. Diese setzt vielmehr voraus, angesichts des Ablenkungspotentials unserer Zeit noch aufmerksamer und präziser zu kommunizieren, als das vielleicht früher üblich gewesen ist.
Bild: unsplash.com / Amy Reed
Grafik: BR, https://www.br.de/alphalernen/faecher/deutsch/2-kommunikation-sender-empfaenger-modell102.html