Politik in Deutschland tut sich derzeit ebenso schwer wie anderswo. Aber ein Slogan zur bevorstehenden Europawahl hat meine Aufmerksamkeit gefangen:
„Ich werde nerven, bis sich was ändert.“
Ist das so, frage ich mich, funktioniert Veränderung tatsächlich so, dass wir nur so lange nerven müssen, bis sich was ändert? So wie ein Kind an der Supermarktkasse quengelt, bis es seinen Willen bekommt? Ich bin skeptisch. Denn im Regelfall richtet sich eine Veränderung gegen unsere Gewohnheiten, Überzeugungen oder das, was die Herde um uns herum glaubt und tut. Aus diesem Grund muss Veränderung stark genug sein, sie alle zu überwinden.
Schauen wir uns die gängigsten Vorgehensweisen und ihre Charakteristika näher an:
1. Hören und sehen
Egal, ob jemand argumentiert, an uns appelliert, wir etwas sehen, lesen oder eine Kombination von alledem. Als reine Informations-Empfänger tun wir uns schwer, uns nach kurzer Zeit überhaupt noch daran zu erinnern. Wir werden schlicht mit zu viel Zeug konfrontiert. Das Gehirn kondensiert das Gehörte oder Gesehene vielleicht noch zu einem einzigen erinnerten Gedanken. Aber sobald wir unsere bestens bekannte Realität mit dem erstmals gehörten Gedanken vergleichen, heißt es direkt „game“, „set“, „match“, und „bekannt“ gewinnt gegen „neu“. Klarer Fall von Heimvorteil.
2.Wiederholen
Die Wirkung von Affirmationen beruht darauf, dass wir dieselben Zeilen immer wieder hören oder dieselben Bilder immer wieder sehen. Das führt mit Sicherheit zu einer stärkeren Verankerung im Unterbewusstsein, aber es funktioniert ähnlich gut, wie es funktioniert hat, als wir als Kinder immer wieder gehört haben „setz Dich gerade hin“, „iss langsam“ oder „nimm den Ellenbogen runter“. In eine ähnliche Richtung geht auch das obige Zitat von Frau Strack-Zimmermann. Klassische Zermürbungsstrategie, bis der andere es nicht mehr aushält oder aus Angst vor Strafen einlenkt. Das wirkt irgendwie, aber nachhaltige Veränderung erzeugt das nicht, solange es an innerer Überzeugung fehlt.
3. Nachspüren.
Wenn Menschen, denen wir emotional verbunden sind, in bildreicher Sprache schildern, in welche Gefahr sie unter bestimmten Bedingungen geraten sind, können wir unser Verhalten allein aufgrund ihrer Worte umgehend ändern und vergleichbare Situationen meiden. Das deutet darauf hin, dass es von Bedeutung ist, ob wir das Gehörte als relevant empfinden und ob wir emotional angesprochen sind.
4. Erleben
Wenn wir etwas mit allen unseren Sinnen erleben, was in der Realität stattfindet, sind wir sicherlich am wenigsten in der Lage, wegzuschauen oder die Relevanz des Neuen umgehend zu bestreiten. Wir erleben absolut vergleichbare Situationen, mindestens aber Analogien, die dank anderer Regeln zu anderen Ergebnissen führen. Wir können mit Hilfe unserer Erfahrung das Erlebte einschätzen, als relevant erleben und sind auch emotional involviert, sobald wir spürbare Vor- oder Nachteile entdecken.
5. Ausführen
Die Steigerung zum passiven Erleben ist die eigene aktive Ausführung eines veränderten Vorgehens. Das kostet zwar einige Überzeugungskraft, aber sobald wir zu experimentieren beginnen und Bekanntes bewusst und reflektiert anders machen, haben wir die Chance, zu besseren Ergebnissen zu gelangen und damit relevante Erfolge mit emotionalem Potential zu schaffen. Lob und Anerkennung von außen können die emotionale Wirkung zusätzlich verstärken.
6. Zwingen
Heutzutage wird Veränderung zunehmend mit Macht erzwungen. Indem Sensoren, Software-Automatisierung oder Quittierung auf Knopfdruck sicherstellen, dass Handlungen nur in einer einzigen gewünschten Reihenfolge und Art und Weise ausgeführt werden können. Dann müssen wir uns wohl oder übel fügen, wenn wir zum Ziel kommen wollen. Und wenn wir uns mal darauf eingelassen haben, heilt die Gewohnheit bald alle Wunden.
Im Vergleich der gängigen Vorgehensweisen versprechen diejenigen Lösungen den wirksamsten Veränderungserfolg, bei denen die Beteiligten die Aktivitäten als relevant empfinden und sich durch spürbare Ergebnisse emotional angesprochen fühlen. Es hat sich praktisch bewährt, diese Zutaten bei allen Veränderungsinitiativen aktiv beizumischen, um die Erfolgsaussichten zu verbessern.