(English version below)
Die Eltern sind die ersten, die ihrem Kind sagen, was es zu tun hat. Wächst es heran, übernehmen Lehrer und der Staat diese Rolle. Wie schon seit Urzeiten die Herrscher zu bestimmen gewohnt sind, was ihre Untertanen zu tun haben. Später im Leben, in den Firmen, Praxen, Kanzleien und Ämtern, ist es der Chef, der die Aufgaben verteilt und damit bestimmt, wer was macht.
Organisationssprachlich nennen wir das Prinzip, Aufgaben zu verteilen und jemandem zuzuweisen, „Push“, im Sinne von schieben, schubsen, drücken. Wir tun das ganz automatisch, wann immer wir die Macht dazu haben, und weil wir vielleicht meinen, das Geschehen besser beurteilen zu können oder gesamthaft zu verantworten. Und auch deshalb, weil das so ganz schnell und ohne große Diskussionen vonstattengeht. Denn alle Beteiligten nehmen es gewohnheitsmäßig hin, schließlich kennen sie es nicht anders.
Und obwohl es die Regel ist, ist es doch nicht optimal. Aus vier Gründen:
1. Es kostet den Vorgesetzten viel Zeit und unterbricht ihn mitunter auf Zuruf („Chef, wer soll das denn machen?“). Dann beginnt er nachzudenken: Wer könnte das? Wer hätte Zeit dafür? Wer würde das am schnellsten schaffen? Weshalb er hilfsweise statisch festlegt, wer grundsätzlich und immer welche Aufgaben machen soll. Das erspart nebenbei auch nervige Folgediskussionen („warum ich?“). Am Ende kommt es nur noch dann noch zu aufwendigem Gewurschtel, wenn Urlaube anstehen, erstmals auftretende Aufgaben oder die Aufgaben ausscheidender Mitarbeiter verteilt werden müssen.
2. Aufgaben werden immer dann übertragen, sobald sie anfallen. Unabhängig davon, wieviel jemand gerade zu tun hat. Denn das weiß genaugenommen keiner. Im Ergebnis sind wir alle immer entweder ausgelastet bis zur Oberkante oder drehen Däumchen. Theoretisch zumindest. Dadurch entstehen Bestände und Verschwendung, beispielsweise, weil wir Details vergessen oder hektisch werden und Fehler machen. Und keiner kann sagen, wann was wirklich fertig werden wird. Am Ende kommen fast alle Ergebnisse zu spät.
3. Nach allem was wir über den Menschen wissen, arbeiten wir besser und schneller, wenn wir ein Ziel haben, motiviert sind und Spaß haben. Und für unsere Motivation ist es entscheidend, dass wir kausale Autonomie erleben, d.h. wir Ausgangspunkt von Abläufen sind und uns als Meister unseres Verhaltens erleben. Und das ist nun mal nicht der Fall, wenn wir unsere Aufgaben zugewiesen bekommen. Damit untergräbt Push die intrinsische Motivation der Beteiligten.
4. Wenn wir Aufgaben übertragen, und das gewohnheitsmäßig immer dieselben an dieselben Kollegen, dann erhalten wir Lösungen immer in demselben Lösungsraum. Und Mitarbeiter haben an sich keine Chance Neues auszuprobieren und sich zu entwickeln. Und wir werden deshalb nie die Potentiale entdecken, die in jedem einzelnen und in unserer Organisation als Ganzes stecken.
All das können wir hinter uns lassen, wenn wir entgegengesetzt vorgehen. Wenn wir mit „Pull“ arbeiten, statt mit „Push“: Jeder von uns zieht oder nimmt sich seine nächsten Aufgaben, und zwar immer dann, wenn er mit einer fertig ist. Ist eigentlich ganz einleuchtend und einfach. Damit haben wir die Wahl und bestimmen ein Stück weit unser Tun. Wir können gezielt nach Abwechslung suchen und uns mit Aufgaben mit neuen Facetten herausfordern. Jeder entwickelt sich nach seiner eigenen Marschtabelle. Und zu Überlastung einzelner kann es auch nicht mehr kommen. Und den Chef müssen wir auch nicht mehr stören.
Woher kennen wir Pull, wo gibt es das schon? Natürlich von Ämtern (Schnellrestaurants und Elektronikmärkten) mit ihren Wartemarkensystemen. Und das gibt es bei einigen Softwarefirmen. Und überall da, wo wir selber entscheiden, was wir als Nächstes tun: Im privaten Umfeld, z.B. im Haushalt oder im Urlaub. Auch in Vereinen übernehmen Menschen von sich aus Aufgaben. Und bei meiner Lieblingsübung, bei Wohnungsumzügen. Dann, wenn unser ganzer Freundeskreis kommt, um uns zu helfen. Genaugenommen funktioniert es immer dann, und das sehr gut, wenn mehrere zusammen ein Ziel erreichen wollen und es zur Aufrechterhaltung der Motivation keiner wagt, das Kommando in einem stärkeren Maß zu übernehmen, als es der Zielerreichung dienlich ist.
Und wie machen wir das konkret? Und erlösen uns von dem Bösen? Wir bilden einen großen Aufgabenpool, aus dem sich alle Mitarbeiter bedienen. Oder wir bilden nach Grundkompetenzen mehrere Mitarbeiter-Gruppen mit jeweils gemeinsamen Aufgabenvorräten. Das funktioniert für kleine Teams ebenso wie für große Teams. Wenn wir nur Transparenz über die Aufgabenmenge, Aufgabenreihenfolge, über die jeweilige Herausforderung und das Erreichte schaffen. Denn so verhindern wir, was gemeinhin als Gegenargumente ins Feld geführt wird: Es komme zu Rosinenpicken oder Aufgaben würden viel länger dauern, weil Menschen sich Zeit ließen.
Und dann achten wir darauf, dass folgende Sätze nicht mehr fallen:
Machst Du mal gerade…
Das macht bei uns (immer)…
Dafür ist bei uns… zuständig.
Ich habe die Aufgabe … gegeben.
Die Aufgabe habe ich von… bekommen.
Da müssen wir genau festlegen, wer was macht.
Bei uns hat jeder Kunde seinen festen Ansprechpartner.
Der Meister hat die Leute heute früh verteilt.
Wenn wir einen neuen Mitarbeiter haben, müssen wir den in Lohn und Brot bringen.
Manchmal ist Push noch viel subtiler. Da kann es vorkommen, dass eine Firma auf Pull-Aufgabensteuerung umstellt, aber für jedes Projekt nur einen Mitarbeiter hat und dieser erwartet, dass ihm sein Chef alle vorhandenen Aufgaben aufschreibt. Oder dass sich in einem kleinen Software-Team nur einer mit GUI beschäftigt, einer mit Datenbanken auskennt und nur einer die Funktionen des Produkts beherrscht. Dann sind wir zurück auf „Los“.
Wenn wir unsere Abteilung oder Firma von Push auf Pull umstellen, passieren eine Menge unglaubliche Dinge. Die Produktivität steigt, die Menschen blühen auf, Zusammenarbeit, Abwechslung und Spaß kehren zurück. Und die Chefs sparen sich eine Menge Arbeit, Zeit und Konflikte. Und können dann endlich loslassen. Genaugenommen führt auf dem Weg zur Selbstorganisation kein Weg an Pull vorbei…
Parents are the first to tell their child what to do. Once it grows up, teachers and the government take over this role. Just as from ancient times souvereigns have been used to determine what their subjects are dealing with. Later in life, in companies, it is the bosses who distribute the tasks and thus determine who does what.
Organizationally speaking, we call the principle of distributing tasks and assigning them to someone, „push“. We do this automatically whenever we have the power to do so and may think that we are better able to judge the situation or we are responsible for the overall success. And we are doing it also because it’s quick and works without much discussion. Because all involved accept it as normal, after all, they do not know otherwise.
And although it’s the rule, it’s not optimal. For four reasons:
1. It costs the boss a lot of time and interrupts him and his work („boss, who is supposed to do that?“). Then he starts thinking: Who could do that? Who has time for that? Who can do it best? Which is why he will statically determine who is to do that task in principle. This automatically leads to the specialization of those affected. At the same time, it also spares all questions („why me?“). In the end, there is only discussions when vacations are due, first-time tasks or tasks of employees leaving the team have to be distributed.
2. Tasks are always transferred as they occur. Regardless of how much someone is currently dealing with. Because nobody really knows. So we are either always busy to the top or turning thumbs. Theoretically, at least. This creates stocks and waste, for example because we forget details or become hectic and make mistakes. And no one can say when something will really get done. At the end the results usually come too late.
3. After all we know about humans, we work better and faster when we have a goal, are motivated and have fun. And for our motivation, it is crucial that we experience causal autonomy, i.e. we are the starting points of processes and experience ourselves as masters of our behavior. And that’s not the case when we get our assignments. Push undermines the intrinsic motivation of those involved.
4. When we transfer tasks, and habitually always the same to the same colleagues, we always get solutions in the same solution space. And employees have no chance to try out new things and to develop themselves. And so we will never discover the potentials that are in each and every one of our organization.
All this we can leave behind if we change the principle. When we work with „pull“ instead of „push“, each one of us takes on his or her next task, whenever he or she is finished with one. Is actually quite obvious and easy. Therewith we have the choice and determine our actions. We can search for variety and challenge ourselves with tasks with new facets. Everyone evolves according to his own marching table. And it can´t result in overloading of individuals. And the boss does not have to be asked anymore either.
Where is it already in place? Of course, at authorities with their wait numbering systems. And at some software companies. And there where we decide ourselves what we will do next: In the private sphere, e.g. at home or on vacation. Even in clubs, people take on tasks of their own accord. And in my favorite exercise, when we move: When all our friends come to help us to get it done within a day. Strictly speaking, it always works very well, when several people together want to achieve a goal and, in order to maintain motivation, no one dares to take command at a greater scale than is useful for attaining the goal.
And how do we actually implement pull? And redeem us from the evil? We form a large pool of tasks from which all employees make use. Or we form employee groups with similar competencies, each with their pool of tasks. This works for a small team as well as for large teams. If we only create transparency about the tasks themselves, the order of tasks, the special requirements and the results. Because that’s what we’re doing to prevent what is commonly used as a counterargument: it would lead to cherry pecking or tasks would take much longer because people took their time.
And then we make sure that we do not further use the following sentences:
Can you do for me … quickly?
That’s what ist (always) done by …
That’s the responsibility of ….
I gave the task to …
I got the task from …
We have to define exactly who does what.
Every customer has his dedicated contact person.
The boss distributed his people this morning.
If we have a new employee, we have to bring him work.
Sometimes push is even more subtle. Maybe a company switches to pull task assignment, but for each project only one employee is available who expects his boss to write down all tasks to perform. Or in a software team just one knows about GUI, one about databases and one about the functions of the product. Then they are practically back to push.
If we change the assignment principle of our department or company from push to pull, a lot of incredible things will happen. Productivity will rise, people will blossom, cooperation, variety and fun will return. And the bosses save a lot of work, time and conflicts. And finally let go. Strictly speaking, pull is the only way to real self-organization.