Der Komiker Otto scherzte früher mal über Wochenendhäuser auf den Golanhöhen und Freifahrten auf dem Wasserwerfer durch Frankfurt. Tatsächlich stand Trekking im Dschungel Mittelamerikas oder auf Papua-Neuginea hoch im Kurs. Nachdem die mittlere Entfernung zwischen zwei McDonalds-Filialen weltweit auf 10 km gesunken ist, sind sie rar geworden: Die aufregenden Zonen für die ganz Harten unter uns, da wo unser Leben, mindestens aber unsere Grundüberzeugungen mal so richtig in Frage gestellt werden.
Keine Angst: Sie haben sich nur verlagert und liegen direkt vor unserer Haustür. Da gibt es heute zwei soziale Lebensformen, die in ihrem Wesen vielleicht so unterschiedlich sind wie sonst nur Katze und Hund: Junge Startups und traditionelle Familienunternehmen, allen voran im Maschinenbau.
Beide koexistieren absolut friedlich, oft nur durch eine Geschossdecke oder eine Zufahrt voneinander getrennt und haben zumeist keine Ahnung voneinander. Fast zumindest, denn viele der Gründer und die, die sich aufgrund der hohen Wachstumsraten unter fahrlässiger Aufgabe ihrer üppigen Altersversorgung einem Startup zugewendet haben, kennen die Gepflogenheiten der traditionellen Welt aus einem ihrer früheren Lebensabschnitte.
Und immer da, wo sie sich heute akut begegnen, da entstehen Überraschungen, witzig hitzige Momente und mitunter auch skurrile Dialoge. Wo junge Mitarbeiter auf klassisch sozialisierte Gründer treffen oder in der hippen Labzone eines Konzerns mit der Zentrale Bekanntschaft machen. Dann gibt es Reaktionen wie diese:
- Chef, wir können Ihnen keinen Termin sagen, wir arbeiten agil.
- Boss (gemeint ist „der ganz oben“) wir wollen, dass Müller unser Chef wird. Sie müssen sich wohl entscheiden, ob Sie bestimmen oder Erfolg haben wollen.
- Morgen komme ich nicht zur wöchentlichen Sitzung. Schreibt halt im Slack, was es gegeben hat.
- Ich habe privat so viele Themen, dass ich einfach nicht pünktlich sein kann.
- Chef, im Winter gehe ich ein halbes Jahr nach Australien, da muss sich wer anders um mein Projekt kümmern.
- Die Videoüberwachung stört mich nicht, ich arbeite eh von zu Hause.
- Personalabbau? Gute Idee, ich wollt sowieso erstmal was Gemeinnütziges machen.
Dann heißt es, durchzuatmen und eine Runde „führen ohne Macht“ zu praktizieren oder nicht lang zu fackeln und mit einer cholerischen Explosion die Teamgröße zu reduzieren. Da waren’s nur noch siebzehn…
Nur an einer Stelle treffen beide Kulturen zu ihrem kleinsten gemeinsamen Nenner zusammen: Spätestens, wenn ein junges Unternehmen der Größe einer Studenten-WG entwachsen ist, gilt dort wie überall, dass es für einfache Arbeiten jemanden anders geben muss als mich, eine Assistentin oder Sekretärin vielleicht. Und die Fachbelegschaft in keinem Fall mit der Belegablage, dem Zustand der Flure, der Gemeinschaftsküchen oder gar der Versorgung mit Verbrauchsgütern („Jeanette, die M&Ms im Besprechungsraum Tokyo sind leer“) in Verbindung gebracht werden darf. Hotel Mama überall. Vielleicht fangen wir genau hier an, die ersten Brücken zwischen beiden Kulturen zu bauen. 😉
(Bildquelle: Pacto Visual, unsplash)