Manche Glaubenssätze sitzen tief. Wie der, den ich erst vergangene Woche wieder hörte, als jemand in einer großen Gruppe verkündete „Leerkosten sind ja das Schlimmste, was es gibt.“ Das klingt auf den ersten Blick so plausibel, dass wir kaum widersprechen mögen. Vielmehr nicken wir innerlich, weil wir ja auch danach streben, immer genügend zu tun zu haben. Genau genommen sogar systematisch mehr zu tun zu haben, als wir schaffen können. Weil es zeigt, dass wir begehrt sind, weil das bequem ist, wenn wir zwischen vielen Aufträgen wählen können. Und weil das Sicherheit bietet, dass wir auf lange Sicht keine Leerkosten haben werden.
Aus diesen Gründen halten wir eine hohe Auslastung sogar für ein Zeichen von Erfolg und Wohlstand. Doch weit gefehlt. Technisch gesehen bedeutet eine hohe Auslastung, dass der Auftragseingang eine Zeit lang größer ist als das, was wir produzieren bzw. schaffen. D.h. der Input ist größer als der Output. Es bildet sich ein Bestand an unerledigten Aufträgen, ein Auftragsstau, auf den wir physikalisch nur auf drei Arten reagieren können: wir lehnen Aufträge ab, wir reduzieren die Sorgfalt bzw. lassen Aktivitäten weg oder wir erhöhen die Kapazitäten, um mehr zu schaffen (durch Überstunden, zusätzliche Mitarbeiter oder die Zusammenarbeit mit Partnern). Tun wir nichts von alledem, verlängern sich automatisch unsere Lieferzeiten. Und genau das ist die unerwünschte Nebenwirkung einer hohen Auslastung.
Mit allen Konsequenzen: unzufriedene Kunden, drängelnde Kunden, abspringende Kunden. Insbesondere die drängelnden Kunden erzeugen Stress und lassen uns die Arbeit immer wieder umplanen. Manchmal werden wir auch hektisch oder haben über die Zeit viele Details vergessen und machen deshalb mehr Fehler. Nicht selten bricht richtiggehend das Chaos aus. All das führt zu Verschwendung. Und treibt die Kosten. Gerade diese höheren Kosten und verlängerten Lieferzeiten schrecken neue Kunden ab, die bei höherer Leistungsfähigkeit ebenfalls unsere Kunden geworden wären und nun ihr Problem woanders lösen.
So ist eine hohe Auslastung zwar der bequeme Weg, aber auch der, der verhindert, dass wir unseren maximalen Erfolg jemals erreichen können. Den sehen wir nur, wenn wir unserer unternehmerischen Kernaufgaben nachkommen, Kapazität und Auftragslage stets in Ausgleich zu bringen. So dass die gelieferte Produktmenge immer der Auftragsmenge entspricht. Input gleich Output gewissermaßen. Denn dann kann das Geschäft weiter wachsen, die Aufträge bleiben im Fluss und wir können kürzeste Lieferzeiten ohne Verschwendung garantieren. Positiver Nebeneffekt: mit dem Wachstum verbessert sich automatisch unsere Kostensituation und wir werden mit Gewissheit weitere Aufträge erhalten.
Deshalb orientieren wir uns lieber nicht an der Auslastung, sondern daran, dass unsere Lieferzeit konstant im Zielkorridor bleibt. Denn das ist der einzig wahre Erfolgsmaßstab. Denn nicht Leerkosten sind das Schlimmste, was es gibt, sondern die Gründe, die wir unseren Kunden geben, nicht mit uns zufrieden zu sein.
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