Letzte Woche sprach ich mit einem erfolgreichen Unternehmer. Irgendwann im Gespräch sagte er: „unser Hauptziel ist es, unsere Leute zu beschäftigen.“Da wurde ich nachdenklich. Wir sind gewohnt, diesen Satz ganz selbstverständlich zu sagen oder hinzunehmen. Würden wir doch auch so machen, denken wir uns. Und doch ist er kurzsichtig und toxisch für unseren Unternehmenserfolg.
Warum ist das so? Stellen wir uns einen Sicherheitsmitarbeiter im Stadion vor. Er tastet am Eingang die Zuschauer ab. Fragen wir seinen Chef nach seinem Ziel, sagt er: Unser Hauptziel ist es, beschäftigt zu sein. Deshalb lassen wir uns immer so viel Zeit, dass genügend Leute vor uns stehen und uns die Arbeit nicht ausgeht. Je höher die Auslastung, desto besser ist das für uns. Dann können wir gleichmäßig arbeiten und tun immer etwas für unser Geld. Vorstellbar? Nein. Wenn ein Sicherheitsdienst so vorginge, würden die Leute in den Schlangen ungeduldig und käme plötzlich ein Schwung Zuschauer, würde die Situation im Handumdrehen unüberschaubar, die Unruhe stiege, immer mehr versuchten sich vorzudrängeln, es würde hitzig, bis die Wartenden im schlimmsten Fall das Heft des Handelns in die Hand nähmen und die Sicherheitsmitarbeiter beiseiteschöben. Nicht wenige Zuschauer würden sich hinterher über das unprofessionelle Verhalten der Sicherheitskräfte beschweren und den Austausch des Dienstleisters fordern.
Deshalb sagt der Sicherheitschef, nach seinem Ziel gefragt: Wir konzentrieren uns darauf, jeden der Wartenden so zügig wie möglich abzufertigen und die Warteschlange so übersichtlich wie möglich zu halten. Dann sind die Zuschauer zufrieden, es kann kein Unmut aufkommen und die Gefahr einer Schlangenbildung ist minimal. Wenn einem Kollegen mal die Arbeit ausgeht, rufen wir Wartende aus benachbarten Warteschlangen herüber. Wird eine Schlange zu lang, bitten wir Ankommende, sich woanders anzustellen. Oder wir schicken einen Kollegen, der mit anfasst. Wir verfügen über die erforderliche Flexibilität, um in allen Situationen die kürzeste Abfertigungszeit zu gewährleisten.
Selbst wenn wir es gewohnt sind, seit Jahrzehnten wie unser erster Sicherheitschef zu denken und zuerst an uns selbst zu denken: Egal, was wir geschäftlich tun. Es funktioniert nach denselben Prinzipien wie unser Sicherheitsdienst. Denken Sie es mal durch. Der einzige Grund, warum wir unsere Auslastung immer noch zum Ziel erklären: Weil es alle tun und in Zeiten hoher Nachfrage die Lieferzeiten überall gleich hoch sind. Aber je mehr wir mit modernen oder überregionalen Anbietern, Standardherstellern oder automatisierten Lösungen in den Wettbewerb treten (bzw. sie mit uns), desto größer werden nicht nur die Preisdifferenzen, sondern auch die Unterschiede in den Lieferzeiten. Und irgendwann werden Kunden es nicht mehr akzeptieren, dass sie eineinhalb Jahre auf eine Heizungswartung ihres Fachbetriebs warten müssen.
Was aber noch viel bedeutsamer ist: Der erste Sicherheitsdient hat obendrein durchschnittlich viel höhere Kosten, weil er mehr Platz und Infrastruktur für längere Schlangen braucht und zusätzliches Personal (quasi Managementkapazitäten), um Vordrängler einzureihen und bei Unruhen die Lage unter Kontrolle zu halten.
Nur die Fokussierung auf die Abfertigung, auf einen hohen Durchsatz, verhindert Schlangenbildung und sichert zugleich geringste Kosten sowie die Zufriedenheit der Kunden. Und im Wettbewerb der unterschiedlichen Sicherheitsdienste den Geschäftserfolg an sich.
Bild: unsplash, Ali Yahya