Die einen tun ihre Meinung kund, die anderen lassen sich davon inspirieren. In den sozialen Medien, in Webinaren, bei Vorträgen. Tagein, tagaus. Und obwohl das so beliebt ist, wundern sich beide Gruppen, dass sie keinen Nutzen davon haben. Vorredner können mangels echter Diskussion in ihrer Blase keine neuen Gedanken ernten, während ihre inspirierten Zuhörer nichts gewinnen, weil Veränderung, Neues und Wachstum mehr erfordern, als nur eine gute Idee zu hören. Weshalb diese sich gern darauf verlegen, die gehörten Meinungen einfach weiterzuerzählen und damit einen gebildeten Eindruck zu vermitteln.
Was hingegen zum „Machen“ dazugehört, darüber wurde bereits viel geschrieben. Leider werden immer nur einzelne Facetten erwähnt: „Habe mehr Mut“, „frag doch andere“, „keep trying“. Und alles spielt sich im Appellformat ab. An dieser Stelle wollen wir deshalb alle Schritte zusammentragen, die eine gute Idee bis zu ihrer erfolgreichen Umsetzung durchlaufen muss: Am Anfang steht die Idee selbst. Derer gibt es heute viel zu viele, schließlich wir werden den ganzen Tag mit neuen und wiedergekauten Gedanken berieselt. Da bleibt nur wenig Raum, und doch können wir machmal auch selber neue Gedanken fassen. In jedem Fall müssen wir im ersten Schritt unseren inneren Kritiker ruhigstellen. Der immerzu Dinge wie „das ist eh nichts für Dich“, „das schaffst Du nicht“, „das dauert zu lange“ oder „das ist zu schwer“ zum Besten gibt.
Ist uns das einmal gelungen, muss sich im Raum zwischen Istzustand und der Vorstellung zur Zukunft einschließlich umgesetzter Idee ein Spannungsfeld aufbauen. Diese bewusst wahrgenommene Abweichung zwischen Soll und Ist erzeugt eine Unruhe, die uns mit Energie versorgt und die uns immer wieder zu demselben Gedanken zurückkehren lässt. Ganz so wie es Herbert Grönemeyer in seinem Lied „angstfrei“ besingt: „In der Unruhe liegt die Kraft.“ Ohne Spannungsfeld und Unruhe gerät trotz aller Verheißung jede Idee irgendwann in Vergessenheit, heute, morgen oder danach. Idealerweise können wir sogar einen Zustand erreichen, in dem wir von uns sagen, dass wir uns das Erreichen des neuen Zustands regelrecht in den Kopf gesetzt haben.
Das hilft uns nämlich auf den nächsten beiden Etappen unserer Reise, denn dort wartet zunächst ein guter alter Bekannter auf uns, unser innerer Schweinehund. Er ist speziell darauf abgerichtet, die innere Unruhe zu neutralisieren und jede Idee abzutreiben, bevor sie uns tatsächlich Energie kosten kann. Indem er immerfort flüstert „das brauchst Du gar nicht. Lass das, das brauchst Du nicht.“
Haben wir auch dieses Level erfolgreich absolviert, sind wir endlich bereit, die neuen Gedanken mit unserer Umwelt zu teilen. Und landen direkt in der Herdenfalle. Denn unsere Liebsten, Freunde und Kollegen haben ebenso wenig wie unsere inneren Feinde Verständnis, dass wir jetzt so viel Energie in diese Schnapsidee stecken wollen. Egal, ob wir ihnen damit Stress bereiten oder einfach nur davonziehen würden. Und deshalb verkünden auch sie ganz unverblümt, dass wir „das ja gar nicht schaffen“ oder „brauchen“ werden und überhaupt „lieber alles genauso machten wie sie.“ Derart geerdet, entscheiden wir uns häufig, das Vorhaben aufzugeben und lieber unsere Herden-Streifen anzubehalten, um nicht von den Löwen gefressen zu werden (Jordan Peterson).
Falls wir unsere Reise fortsetzen, sehen wir uns nicht selten einer richtig großen Aufgabe gegenüber, die wir erst zerlegen müssen, bis der erste Schritt greifbar und gehbar wird. Meist haben wir ihn nicht selbst in der Hand und sind auf die Hilfe anderer angewiesen. Also müssen wir uns trauen, auf sie zuzugehen, sie um Hilfe zu bitten und ihnen unter Umständen etwas als Gegenleistung anzubieten. In dieser Phase besteht das größte Risiko darin, die Energie, das Momentum zu verlieren, weil wir Umwege nehmen oder auf irgendwen oder irgendetwas warten müssen. Dann denken wir idealerweise immer wieder an das initiale Spannungsfeld und machen Kompromisse, um das Momentum um jeden Preis aufrechtzuerhalten.
Und dennoch gelingt das Gewünschte häufig nicht auf Anhieb. Da hilft es nur, die Anstrengungen zu wiederholen und dabei die eingesetzte Energie immer weiter zu erhöhen, auch sehr ungewöhnliche Alternativen, erste Schritte und entfernteste Unterstützer in Betracht zu ziehen. Und weil die Energie der Schlüssel ist, achten wir auch darauf, dass wir uns den Weg selber nicht schwerer machen als nötig, indem wir uns über Rückschläge oder Umwege ärgern und oder höchste Perfektionsanforderungen an uns selbst stellen. Fahren wir damit fort, bis wir alle möglichen und unmöglichen Möglichkeiten tatsächlich erschöpft sehen, ist die Wahrscheinlichkeit maximal, auch Taten zu vollbringen, die wir ganz objektiv nicht für möglich gehalten hätten.
Zum Abschluss sollte noch erwähnt werden, dass nicht alle Dinge, die sich im Tik-tok-Zeitalter als „machen“ begreifen lassen, gleich schwierig sind und denselben Respekt verdienen. Heute wird ja alles gerne in ein Töpfchen geworfen und Hauptsache schrill serviert. Manche lassen sich feiern, weil sie morgens aufgestanden sind, ein Buch gelesen oder einem Käfer über die Straße geholfen haben. Je größer oder ungewöhnlicher ein Vorhaben ist, je länger sich der Weg gestaltet oder je mehr er die Kooperation oder Geduld anderer erfordert, desto mehr der hier beschriebenen Komponenten kommen zum Tragen und desto umsichtiger und hartnäckiger muss das Vorgehen gestaltet werden. Im Umkehrschluss kann jeder von uns, der sich dieser Hindernisse bewusst ist und sie geschickt zu umgehen weiß, vergleichbar große Erfolge erzielen.
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