Ist das noch Service oder schon Verschwendung?

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Vie­le orga­ni­sa­to­ri­sche Emp­feh­lun­gen wer­den heu­te mit ideo­lo­gi­schem Hin­ter­grund gege­ben. Man erkennt die oft roman­ti­schen Emp­feh­lun­gen dar­an, dass sie abso­lut, d.h. ohne Kon­text for­mu­liert wer­den. Dann heißt es „Home office ist pro­duk­ti­ver…“, statt „home office ist dann pro­duk­ti­ver, wenn…“.

Aber gera­de, wenn es um Pro­duk­ti­vi­tät im Leben und bei der Arbeit geht, soll­ten wir sehr auf­merk­sam sein. Denn je nach Kon­text sind sehr unter­schied­li­che Vor­ge­hens­wei­sen opti­mal. Wenn Auf­ga­ben immer unter­schied­lich sind, wie in der Bau­bran­che, im Hand­werk, bei Bera­tern, Anla­gen­bau­ern oder Füh­rungs­kräf­ten, dann ist es opti­mal, sie per­sön­lich von Men­schen erle­di­gen zu las­sen. Zumin­dest die Tei­le, die neu sein kön­nen. Pro­zes­se wür­den viel zu vie­le unter­schied­li­che Fäl­le abbil­den müs­sen und damit kom­pli­zier­ter sein, als sich das jemand mer­ken könn­te. Eine ent­spre­chen­de Soft­ware wäre nur mit über­pro­por­tio­nal viel Auf­wand zu pro­gram­mie­ren. Immer mit dem Risi­ko, dass ein zusätz­li­cher Fall auf­tritt, der über­haupt noch nicht erfasst ist.

Wenn Auf­ga­ben immer gleich sind, dann soll­ten wir im eige­nen Inter­es­se Stan­dards fest­le­gen, Aus­nah­men besei­ti­gen und eine Soft­ware ein­set­zen, die deut­lich schnel­ler als Men­schen arbei­ten kann und mit deren Hil­fe wir im Regel­fall 99,5% des gesam­ten Auf­wan­des spa­ren kön­nen. Ech­te Arbeits­zeit. In Zei­ten ver­brei­te­ten Per­so­nal­man­gels eine ech­te Verheißung.

Ein wich­ti­ger Hin­weis, denn heu­te lei­den die aller­meis­ten Fir­men dar­un­ter, dass sie vom Grun­de her iden­ti­sche Auf­ga­ben noch immer manu­ell erle­di­gen las­sen. Zum Bei­spiel Auf­trä­ge anle­gen. Bereits vor 25 Jah­ren ermög­lich­te es EDI, Auf­trä­ge auto­ma­ti­siert ins Sys­tem zu über­neh­men. Im Inter­net legen die Kun­den im Web­shop sel­ber ihre Auf­trä­ge an und die­ser ist direkt mit dem ERP-System ver­bun­den. Trotz die­ser tech­ni­schen Mög­lich­kei­ten wer­den Auf­trä­ge in vie­len Unter­neh­men immer noch tele­fo­nisch oder per Fax ange­nom­men und dann per Hand in ein Sys­tem ein­ge­ge­ben. Das ist streng genom­men Ver­schwen­dung. Oder doch nicht?

Als ich letz­tens die­se Grund­sät­ze aus­führ­te, wider­sprach mir eine Kun­din vehe­ment. „Das ist doch eine Fra­ge des Ser­vice, das per­sön­lich zu tun.“ Das ist ein guter Ein­wand, über den es sich nach­zu­den­ken lohnt. Neh­men wir den Fall der Buchung einer Dienst­leis­tung, bei­spiels­wei­se einer Raumreservierung.

Neu­lich klag­te ein Gas­tro­nom, er erhal­te Reser­vie­run­gen auf fünf ver­schie­de­nen Kanä­len und kön­ne nur dafür, all die­se Kanä­le zu betreu­en, aus­zu­wer­ten und eine wider­spruchs­freie Pla­nung zu füh­ren, einen zusätz­li­chen Mit­ar­bei­ter beschäf­ti­gen. Obwohl die manu­el­le Bear­bei­tung eine kost­spie­li­ge Belas­tung für ihn dar­stellt, lässt er die Viel­falt zu, als beson­de­ren Ser­vice für sei­ne Kun­den. So weit, so schlecht.

Sieht wenigs­tens die Bilanz für den Kun­den bes­ser aus? Er muss sich einen Kanal zum Dienst­leis­ter raus­su­chen und wird dann sei­nen Wunsch per Brief, Whatts app, Mail, am Tele­fon, münd­lich oder im Buchungs­tool kund­tun. Bei münd­li­cher Anfra­ge wird er den Dienst­leis­ter besu­chen müs­sen, bei einem Tele­fo­nat muss er ver­su­chen, über­haupt jeman­den zu errei­chen (der sich zustän­dig fühlt). Das birgt nicht sel­ten Stoff für Dis­kus­sio­nen, Wei­ter­lei­tun­gen und Zeit­ver­lust. Durch die Viel­zahl der Kanä­le ist zu die­sem Zeit­punkt gar nicht sicher­ge­stellt, dass die Buchung über­haupt noch mög­lich ist. Im Zwei­fel wird der Kun­de den Abgleich abwar­ten müs­sen und einen Rück­ruf erhal­ten, ver­bun­den mit einer Kor­rek­tur oder der Bestä­ti­gung sei­ner Reser­vie­rung. Bis dahin wird er im Unge­wis­sen blei­ben. Viel­leicht wird ihm die Buchung zwar münd­lich bestä­tigt, aber der Mit­ar­bei­ter des Dienst­leis­ters trägt die Buchung nicht oder an fal­scher Stel­le ein. Ein mög­li­ches Miss­ver­ständ­nis, dass sich bei spä­te­rer Ent­de­ckung als ärger­lich erwei­sen wird.

Jede Men­ge Feh­ler­po­ten­ti­al und Mehr­auf­wand auf bei­den Sei­ten sind die Fol­ge. Hand aufs Herz, kön­nen wir das über­haupt „Ser­vice“ nen­nen, wenn alle Betei­lig­ten Zeit ver­lie­ren, die streng genom­men nicht erfor­der­lich ist? Oder ist das Ver­schwen­dung pur?

Das Leben ist in jedem Fall viel ein­fa­cher, wenn sich der Gas­tro­nom allein auf den Ein­satz eines online-Buchungstools ver­lässt. Dann kön­nen alle Kun­den ihre Buchun­gen 24/7 vor­neh­men, erhal­ten sofort eine Bestä­ti­gung und sind oben­drein vor Miss­ver­ständ­nis­sen geschützt. Vol­le Kon­trol­le und vol­ler Kom­fort. Ist DAS nicht wirk­li­cher Service?

Wer jetzt ein­wen­det, das ja unper­sön­lich und eine ver­ta­ne Chan­ce, per­sön­li­chen Kon­takt zu pfle­gen und zum Upsel­ling zu nut­zen, dem sei gera­ten, sei­ne Lösung tat­säch­lich so zu gestal­ten: Einen (finan­zi­el­len) Anreiz für die Nut­zung der auto­ma­ti­schen Lösung zu bie­ten, um mög­lichst vie­le Stan­dard­an­fra­gen in die­sen Kanal zu len­ken, und sei­ne Mit­ar­bei­ter dazu anzu­hal­ten, bei den ver­blei­ben­den Gesprä­chen unter allen Umstän­den freund­lich zu sein, sich Zeit zu neh­men (!) und sie kon­kret zur Stei­ge­rung der Ver­käu­fe zu nutzen.

Wir haben 2022. Sei­en wir mutig und kon­se­quent, tun wir die rich­ti­gen Din­ge im rich­ti­gen Kon­text. Spa­ren wir uns und unse­ren Kun­den Zeit, wo immer das mög­lich ist, und nut­zen die ver­blei­ben­den Gesprä­che für das, wor­auf es wirk­lich ankommt: Bera­ten und Ver­kau­fen. Denn nur Infor­ma­tio­nen zu geben, die jeder­zeit und über­all frei ver­füg­bar sind, ist Auf­wand ohne zusätz­li­chen Nut­zen. Ver­schwen­dung und respekt­los gegen­über den Men­schen, von denen wir sol­che Din­ge ver­lan­gen. Gleich­zei­tig sind uns unse­re Wett­be­wer­ber, die Ser­vice modern und digi­tal inter­pre­tie­ren, zwei­hun­dert­fach überlegen.

Bild: www.unsplash.com / Tay­lor Davidson

 

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