Kundenwunsch – Fluch und Segen

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Ohne Ver­kauf ist alles nichts. Und am bes­ten ver­kau­fen sich Pro­duk­te ganz von allein. Kun­den kom­men immer wie­der und bedie­nen sich nahe­zu unbe­merkt. So schön das ist, so sel­ten ist das über län­ge­re Zeit der Fall. Mit jedem Fort­schritt, neu­en Wett­be­wer­bern oder ande­ren Geschmä­ckern ver­än­dern sich auch die Ver­hält­nis­se, und die Zahl Käu­fer schwankt. Nicht sel­ten beginnt der Ver­kauf, Kraft zu kos­ten. Und je mehr Kraft er kos­tet, je mehr Ener­gie eine Trans­ak­ti­on erfor­dert, des­to wei­ter ist das Pro­dukt oder die Lösung vom Markt entfernt.

Gehen die Zah­len sogar zurück und dre­hen sich die Gedan­ken um sich selbst, wer­den Kri­sen­sit­zun­gen anbe­raumt, Appel­le aus­ge­packt und Pro­jek­te auf­ge­setzt, wie die Attrak­ti­vi­tät der Pro­duk­te wie­der ver­bes­sert wer­den kann. Dabei gibt es eine viel ein­fa­che­re Metho­de frei Haus, die aber auch nicht unge­fähr­lich ist: Kun­den­wün­sche. Kun­den­wün­sche sind Fluch und Segen zugleich, im bes­ten Fall sind sie die Fähr­te, die zeigt, wohin der Markt sich bewegt. Im schlimms­ten Fall füh­ren sie zurück ins Mit­tel­al­ter. Wie das? Zeit für eine Strukturierung:

Kun­den­wün­sche, die regel­mä­ßig auf­tre­ten, zei­gen, wo sich der Markt befin­det. Wer­den uner­füll­te Wün­sche aus­ge­wer­tet, las­sen sich neue Fea­tures iden­ti­fi­zie­ren, die sorg­fäl­tig aus­ge­wählt und stan­dar­di­siert umge­setzt in den Mit­tel­punkt des Mark­tes zurück­füh­ren, und das unter wirt­schaft­li­chen Bedingungen.

Tre­ten Kun­den­wün­sche regel­mä­ßig auf, Kun­den wol­len aber nicht dafür bezah­len, dann ist das qua Defi­ni­ti­on ein neu­er Ser­vice, eine Neben­leis­tung, ein neu­er Markt­stan­dard, der hof­fent­lich für alle betei­lig­ten Wett­be­wer­ber gül­tig ist. Dann wird er alle her­aus­for­dern und idea­ler­wei­se eben­so stan­dar­di­siert und wirt­schaft­lich erbracht, wie es bei neu­en Fea­tures der Fall ist.

So weit, so gut. Aber was bedeu­tet denn in der Pra­xis „regel­mä­ßig?“ Genau das ist die Kunst. Denn für jeden Wunsch ist irgend­wann das ers­te Mal. Dann tritt er nach eini­ger Zeit mal wie­der auf, aber viel­leicht bei ande­ren Kol­le­gen. Wie las­sen sich im bun­ten Durch­ein­an­der die Mus­ter erken­nen und von Anfang an die rich­ti­gen Ent­schei­dun­gen treffen?

Es beginnt mit den erst­ma­lig auf­tre­ten­den Exo­ten. Sie sind kei­nes­falls schäd­lich, wenn sie als neu und exo­tisch erkannt wer­den und nach den Regeln der Ein­zel­fer­ti­gung und Ein­ma­lig­keit, dem Betriebs­sys­tem des Mit­tel­al­ters, bezahlt wer­den. Dann ver­die­nen Anbie­ter damit Geld, und die Kun­den kön­nen selbst dar­über ent­schei­den, ob das Neue ihnen so viel Geld wert ist. Wenn ja, dann wer­den sie die neue Lösung erneut bestel­len, womit sie zum Fea­ture wird, viel­leicht in einer Stan­dard­aus­füh­rung zum Seri­en­preis. Oder sie win­ken ab und keh­ren zum bekann­ten Stan­dard zurück. Gefahr gebannt.

Schwie­rig sind die erst­ma­lig auf­tre­ten­den Exo­ten nur dann, wenn sie unbe­zahlt erbracht wer­den sol­len. Das ist in der Pra­xis tat­säch­lich die Regel: Der Ver­trieb drängt dar­auf, aus­nahms­los jeden Kun­den­wunsch zu erfül­len. Er behaup­tet, das sei unum­gäng­lich, wenn das Unter­neh­men als kun­den­ori­en­tiert gel­ten wol­le. Andern­falls bestün­de die drin­gen­de Gefahr, dass der Auf­trag sogar kom­plett ver­lo­ren gehe, weil die Kun­den woan­ders kauf­ten. In die­ser Vari­an­te unbe­zahl­ter Drein­ga­ben wer­den Kun­den­wün­sche tat­säch­lich zum Mühl­stein. Denn die Fol­ge sind unter­schied­lichs­te ein­ma­lig und manu­ell erbrach­te Leis­tun­gen, eine aus­ufern­de Vari­anz, hohe Kos­ten und gerin­ger Erfolg. Das ist am Ende das Geld, das zur struk­tu­rier­ten Wei­ter­ent­wick­lung feh­len wird.

Für die gedeih­li­che Wei­ter­ent­wick­lung im Markt ist es für jeden Anbie­ter ent­schei­dend, neue Kun­den­wün­sche als ver­läss­lichs­te Spu­ren des Mark­tes zu beob­ach­ten und aktiv zu bear­bei­ten. Sie zu bezahl­ten Fea­tures zu ent­wi­ckeln, in jedem Fall zu beprei­sen, zu Stan­dards zusam­men­zu­füh­ren und in beson­ders aus­ge­fal­le­nen Vari­an­ten auch zu unter­sa­gen. Die­se Arbeit kann ganz ohne ein geson­der­tes „Pro­dukt­ma­nage­ment“ im Ver­trieb oder im Engi­nee­ring geleis­tet wer­den. Was es dafür aber in jedem Fall braucht, ist das Bewusst­sein, wel­che beson­de­re Kraft Kun­den­wün­schen inne­wohnt und wie sie sich zum Segen des Geschäf­tes nut­zen lassen.

Bild: Graf­fi­ti Street, Gent, 2024

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