Lange bevor wir begonnen haben, uns mit elektronischen Geräten gezielt und dauerhaft abzulenken, war der Kampf um die Produktivität schon verloren.
Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Menschen noch nach Stückzahlen bezahlt und waren an ihrer Leistung interessiert, da diese ihr Einkommen direkt bestimmte. Mit dem Wachsen der Unternehmen und zunehmenden Ungleichgewichten auf den Arbeitsmärkten gab es die Tendenz, den Stücklohn immer weiter zu drücken, so dass er bald als ungerecht empfunden wurde.
Als Ford auf den Plan trat und nach Stunden bezahlte, schien die Lösung gefunden, und viele folgten seinem Beispiel. Innerhalb der letzten 100 Jahre wurde der Stundenlohn zum Standard und das Interesse an der bloßen Anwesenheit trat an die Stelle des Interesses an Wert und Produktivität. Dieser Effekt wird durch das ständige Wiederholen von Slogans wie „Belohne den Aufwand, nicht die Ergebnisse“ (Google-CEO Sundar Pichai im Jahr 2022), Grundsätze wie Equal Pay und kenntnisbasierte Standardentgeltgruppen verstärkt. Im Ergebnis werden schrittweise auch die letzten Leistungskomponenten aus der Bezahlung entfernt.
Heute sehen wir nur noch im Sport und in der Unterhaltungsbranche, dass Menschen nach dem wirtschaftlichen Wert ihrer Arbeit bezahlt werden, und da Stundenlöhne der Standard sind, halten wir auch diese Ausnahmen oft für ungerecht. In diesen Systemen ist die Bezahlung nach außerordentlich hohen wirtschaftlichen Werten allerdings notwendig, um hinreichend viele Menschen zu motivieren, die langfristigen persönlichen Entbehrungen auf sich zu nehmen, und um auf diese Weise die Besten herauszufiltern.
Ähnlich wie bei Sportlern hängt die Vergütung von Firmeninhabern und Freiberuflern weniger von der aufgewendeten Zeit als von der Qualität und Popularität ihrer Ergebnisse ab. Zumindest indirekt, denn die Nachfrage nach ihren Produkten und Dienstleistungen wird davon abhängen. Sobald sie erfolgreich sind, wachsen und Mitarbeiter einstellen, die ihnen helfen, ihre Produkte oder Dienstleistungen zu erzeugen, stehen sie alle vor der gleichen Herausforderung: Wie können sie das bisherige Interesse an Qualität, exzellentem Service und Produktivität aufrechterhalten?
Die erste und universelle Lösung, die auch Ford angewendet hat, war ein fester Arbeitstakt. Die Fließbänder bewegten sich mit einer bestimmten Geschwindigkeit, so dass jeder Arbeiter gezwungen war, die ihm zugewiesene Arbeit in der verfügbaren Zeit zu erledigen. Jeder, der die vorgegebenen Ergebnisse wiederkehrend nicht erreichte, wurde entfernt und durch jemand anderen ersetzt. In Systemen mit festem Arbeitstakt ist letztlich die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes die Hauptmotivation zur Aufrechterhaltung der Produktivität. Das Taktprinzip wird heute zunehmend auch auf alle wiederkehrenden und zeitlich kalkulierbaren Tätigkeiten wie Kommissionierung und Paketzustellung angewendet.
Durch die zunehmende Automatisierung mit Hilfe von Robotern und Computern verlagert sich die Arbeit der Menschen von Standardaufgaben hin zu variierenden Aufgaben wie Problemlösung und Schaffung von Neuem. Für diese Aufgaben gibt es weder im Vorhinein eine Arbeitsplanung, noch sind Standard-Taktzeiten anwendbar. Manchmal kann nicht einmal die Leistung gemessen werden oder ist Gegenstand ständiger Diskussionen. In diesen Umgebungen ist die Verbindung zwischen persönlichem Interesse und Arbeitsleistung gefährlich schwach geworden. Und es besteht kein Interesse daran, etwas zu ändern. Das liegt auf der Hand, denn die Arbeitnehmer müssten den Aufwand für die Änderung der Arbeitspraktiken und der Zusammenarbeit tragen, ohne dass sie einen persönlichen Nutzen davon hätten, wenn sich das Input-Output-Verhältnis zum Besseren veränderte. Im Gegenteil, eine höhere Produktivität könnte zu weniger bezahlten Überstunden führen und damit sogar ihr Einkommen senken. Im Ergebnis drehen sich die Gedanken von 99 % der heutigen Arbeitnehmer darum, wie sie mit möglichst wenig Arbeit ihren Lebensunterhalt verdienen, pünktlich nach Hause kommen und ihre jährlichen Prämien sichern.
Aus diesem Grund haben sich in den letzten 100 Jahren einige Ersatzmechanismen herausgebildet, die versuchen, die Produktivität zu fördern:
- Endtermine
Endtermine in Projekten oder für die Lieferung eines Ergebnisses erzeugen praktisch Druck auf die Mitarbeiter, ihr Arbeitstempo zu erhöhen. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn der Termin näher rückt oder bereits in der Vergangenheit liegt. Die Wirksamkeit ist auf unser menschliches Interesse zurückzuführen, zuverlässig zu sein, unsere Verpflichtungen pünktlich zu erfüllen und als guter Mitarbeiter zu gelten. In der Praxis ist dieser Mechanismus am wirksamsten, wenn es bereits zu spät ist und die Fälligkeitstermine in der Vergangenheit liegen. Fälligkeitstermine in der Vergangenheit sind aber zugleich schädlich, weil jede Planung auf der Grundlage dieser Termine physisch unmöglich ist und zu Missverständnissen und zusätzlicher Kommunikation führt.
Wenn sich allerdings Unternehmen für eine konsequente Planung entscheiden und Fälligkeitstermine in die Zukunft verschieben, wird im gleichen Zug der Druck verringert, effektiv zu arbeiten und eine hohe Produktivität zu erreichen. Das Praktische an der Terminorientierung ist, dass die Anzahl der Aufgaben mit einem Termin in der Vergangenheit auch Transparenz über den jeweiligen zusätzlichen Kapazitätsbedarf geben könnte. Wenn wir flexibel genug wären, wäre dies für eine funktionierende Organisation ausreichend.
- Arbeitsüberlastung oder verbaler Druck
Die am häufigsten verwendete Methode, ein höheres Arbeitstempo zu erreichen, besteht darin, den Mitarbeitern die individuelle Arbeitsmenge zu erhöhen. Dieses Prinzip spricht auch das Bedürfnis der Arbeitnehmer nach Anerkennung an. Ein guter Arbeiter zu sein, der seine Arbeit zuverlässig erledigt und für das Unternehmen wichtig ist. Dafür werden sie immer versuchen, ihre Arbeit zu erledigen und deshalb immer schneller zu arbeiten. Der Nachteil dieser Methode ist, dass sie meist nicht so gezielt eingesetzt wird, dass die Motivation der Mitarbeiter erhalten bliebe. In den meisten Fällen wird der Druck immer weiter erhöht, so dass irgendwann die Wirkung aufgebraucht ist und die Motivation verloren geht oder der Mitarbeiter das Unternehmen verlässt.
- Arbeitsplanung und Zeiteinschätzung
Eine dritte Methode ist die Verwendung von Referenzwerten aus früheren Aufgaben und Schätzungen, wie lange es dauern wird, eine Aufgabe zu erledigen. Auf diese Weise hat man einen Maßstab, mit dem man seinen Arbeitsfortschritt vergleichen kann, um sein Arbeitstempo entsprechend anzupassen, sobald man eine Abweichung bemerkt. Der Nachteil dieser Methode ist, dass das Schätzen von Zeiten, das Buchen und Überprüfen recht mühsam ist. In der Anwendung ist diese Methode zu schwach, um das Grundinteresse an Leistung zu wecken. Allerhöchsten kann ein bereits bestehendes Interesse an Arbeitstempo und Leistung verstärkt werden.
Leider wird diese Methode nicht zur internen Selbstkontrolle, sondern zur externen Kontrolle durch Vorgesetzte eingesetzt, so dass der oft unsachgemäßer Einsatz, wie z.B. kritisches Hinterfragen, die Motivation beeinträchtigt. Darüber reduzieren zwei Einschränkungen die Wirkung dieser Methode: Schätzungen bei erstmaligen Aufgaben können systematisch falsch oder nur annähernd richtig sein. Das Beharren auf Einhaltung wird als ungerecht empfunden. Und wenn die Motivation bereits geschädigt ist, wird das Arbeitstempo reduziert, um genau den Normzeiten zu entsprechen und weder positiv noch negativ aufzufallen. Auf diese Weise übererfüllen die Normen ihre Kontrollwirkung und werden zu selbsterfüllenden Prophezeiungen.
- Partizipation am Ergebnis
Die allgemeine Voraussetzung für eine hohe Produktivität besteht darin, die Verbindung zwischen persönlichem Interesse und Leistung zu stärken. Am einfachsten geht das durch zusätzliche leistungsbezogene Entgeltbestandteile. Oder mit zusätzlicher Freizeit, wenn man nach getaner Arbeit nach Hause gehen kann. Das Problem bei solchen variablen Ansätzen ist, dass sie als ereignisorientiert angesehen werden und vom Arbeitnehmer nicht langfristig kontrolliert werden können. Daher sind sie in der Regel nicht stark genug, um das Arbeitsverhalten zuverlässig und nachhaltig zu beeinflussen.
- Anerkennung von Leistung
Das unbezahlte Äquivalent sind Belohnungen, die direkt das Bedürfnis des Mitarbeiters nach Anerkennung ansprechen, wie z.B. die Auszeichnung zum Mitarbeiter des Monats. Das Problem bei diesen Preisen ist, dass es in geteilten Arbeitsumgebungen keine persönliche Leistung gibt. Bei variablen Aufgaben ist es zudem schwierig, Leistungen zu messen und zu vergleichen, so dass die Bewertung nicht selten auf Sympathie beruht, was die Methode entwertet.
- Reine intrinsische Motivation
Eine gängige Argumentation ist, dass Unternehmen nur einem guten Zweck dienen müssen, mit dem sich die Mitarbeiter voll identifizieren können, dann seien sie auch daran interessiert, sich voll für die Ziele des Unternehmens einzusetzen. Vorausgesetzt, das Arbeitsumfeld ist auch noch frei von demotivierenden Einflüssen, dadurch dass Herausforderungen und Anerkennung wohl dosiert und Vertrauen und angemessene Bezahlung gegeben sind. Sicherlich kann dies ein Ziel sein, darauf hinzuarbeiten, eine möglichst hohe intrinsische Motivation zu gewährleisten. Aber es wird nie als hinreichende allgemeine Regel dienen können. Denn nicht alle Arbeitsplätze haben einen inneren Sinn und sind perfekt mit den richtigen Mitarbeitern besetzt, so dass automatisch eine 100%ige Kopplung stattfinden könnte. Auch werden Unternehmen bzw. Inhaber nicht jeden Tag und jede Stunde gleichbleibend perfekt handeln. Schließlich hat man bei der Arbeit mit Menschen zu tun und Menschen sind nie perfekt.
Das bei 99% aller Erwerbstätigen vorherrschende Desinteresse an der bestmöglichen Nutzung der eigenen Zeit zeigt, dass bisher keine der genannten Methoden allein, systematisch und vollständig die Entkopplung der persönlichen Interessen von der persönlichen Produktivität bei der Arbeit aufheben kann.
Gleichzeitig wird es angesichts des zunehmenden Wettbewerbs durch immer größere und finanzkräftigere Unternehmen unumgänglich sein, sich in Zukunft stärker auf Wertschöpfung und Produktivität zu konzentrieren. Spätestens dann, wenn weiteres Wachstum nicht mehr möglich ist, weil keine weiteren qualifizierten Arbeitskräfte gefunden werden können, werden wir überrascht sein, wie hilfreich es ist, das Produktivitätspotenzial der vorhandenen Mitarbeiter besser zu nutzen.
Alle entsprechenden Aktivitäten, die in diesem Artikel angesprochen werden, sind nicht zum Nachteil der Beschäftigten gedacht. Es geht nicht darum, Druck zu erzeugen, noch schneller zu arbeiten, wie es die meisten der heute praktisch angewandten Methoden tun. Es geht vielmehr darum, ein gemeinsames Interesse an der Qualität der verwendeten Zeit, der Wirksamkeit, dem Output und der Kundenzufriedenheit zu schaffen. Und dann auch darum, die Verschwendung von Zeit gemeinsam zu reduzieren.
Denn Zeit ist die einzige wirklich begrenzte Ressource auf der Welt. Es sollte ein Erziehungsziel sein, sie im Interesse unserer eigenen Entwicklung und der Erreichung unserer Ziele bestmöglich zu nutzen, ob wir dafür bezahlt werden oder nicht. Denn nur wenn wir uns um gute Ergebnisse bemühen, können wir so viel wie möglich lernen und Erfolgserlebnisse haben. Und dann sollte Produktivität das zentrale Thema in der internen Kommunikation eines jeden Unternehmens werden. Dabei sollte klar sein, dass Produktivität im Raum zwischen den Menschen stattfindet, durch die Art und Weise, wie sie interagieren oder kommunizieren. Und um wirklich gemeinsam voranzukommen, müssen die naiven Methoden des individuellen Drucks und der Kontrolle, die heute angewendet werden, durch wirksamere Lösungen ersetzt werden.
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Zur Englischen Version: http://www.aufwerts.org/how-to-create-productivity-in-an-unproductive-world/
Bild: www.unsplash.com / kris