Bei einem Lean Office Training in dieser Woche haben wir natürlich auch über Standardisierung, Automatisierung und KI gesprochen. Darauf sagte einer der Teilnehmer aus dem Vertrieb:
„Bei uns funktioniert dieses Unpersönliche nicht. Unsere Kunden suchen ja den persönlichen Kontakt. Denen kann man nicht all diese modernen Sachen überstülpen.“
Da wir das so oft hören, als handelte es sich um Artikel 1 des Vertriebs-Grundgesetzes, haben wir einen offenen Brief an den unbekannten Vertriebler verfasst.
Lieber Vertrieb,
Ihr seid für uns unverzichtbar und beherrscht die „Chemie“, die Kunst subtil und verborgen stabile Verbindungen zwischen den Elementen zu schaffen. Wir, die wir nur den Gesetzen der Physik gehorchen, bewundern und verehren Euch dafür.
ABER. Vergesst bitte nicht, wir sind KUNDEN. Privat genauso wie im Namen unserer Arbeitgeber. Und wir sagen Euch, wenn wir etwas kaufen, wollen wir nur ein Problem lösen. Und das soll schnell gehen, risikolos und einfach sein. Und zwar dann, wenn wir das wollen. Idealerweise ist das Angebot selbsterklärend, der Bestellvorgang komfortabel und die Lieferung kommt zuverlässig wie versprochen. Ach ja, und das alles bitte zum niedrigsten Preis.
Das ist alles.
Wenn wir wiederkommen, um erneut bei Euch zu kaufen, war es beim letzten Mal ok und wir wollen uns unnötigen Suchaufwand ersparen. Einen richtigen persönlichen Kontakt brauchen wir nur dann,
- wenn wir nichts zu tun haben und in Euch einen privaten Freund sehen,
- wenn wir nicht wissen, wie wir unser Problem lösen sollen,
- wenn wir nicht exakt das finden, was wir suchen,
- wenn wir ein Angebot nicht verstehen oder
- wenn wir etwas anderes wollen, als Ihr uns angeboten habt.
Solange also Eure Auslage bzw. Angebot auffindbar, freundlich, überschaubar und selbsterklärend ist, brauchen und suchen wir keinen persönlichen Kontakt! Wenn wir nicht zufällig auch private Freunde sind, kommt Ihr nur dann ins Spiel, weil es irgendeinen Mangel Eurer Firma zu beheben gilt. Weil irgendwas nicht so funktioniert, wie es soll. Und was Ihr uns bietet, ist deshalb meist nur Scheinkomfort:
Wenn Ihr unbedingt ein persönliches Gespräch benötigt, bevor Ihr ein Angebot erstellen könnt. Wenn Ihr Nachlässe gebt, die in Eurem Bestelltool gar nicht vorgesehen sind. Wenn Ihr Produkte anbietet, die Eure Firma gar nicht führt. Wenn Ihr uns durch den Produktdschungel Eurer Firma lotsen müsst. Wenn Ihr uns Eure unübersichtlich gestalteten Angebote erklärt. Oder wenn Ihr dafür sorgt, dass wir gegenüber einem anderen Kunden bevorzugt werden.
Und wann geht Ihr uns sogar richtig auf die Nerven? Wenn wir alles dreimal besprechen müssen, weil Ihr zu viel Zeit habt, „noch was zu klären ist“ oder Ihr vergessen habt, unsere Absprachen weiterzugeben. Wenn Ihr im Urlaub seid und Euch erst in zwei Wochen zurückmeldet. Und uns in der Zwischenzeit keiner Eurer Kollegen helfen mag.
Lieber Vertrieb, was in den 90er Jahren Euer Tagesinhalt war, ist heutzutage nur noch Scheinkomfort, der von jedem guten online-Shop in den Schatten gestellt wird. Und das ganz ohne Öffnungszeiten, Wochenende oder Vergesslichkeit. Scheinkomfort, der nur noch so viel wert ist wie ein Büdel Monopoly-Scheine an der Supermarktkasse.
Was wir heute wollen, ist echte Beratung, zeigt uns einfach das passende Produkt, das, was wir nicht gesehen haben, gebt uns Tipps, denen wir gerne vertrauen wollen, und bewegt uns dazu, bei Euch zu kaufen, weil es Dank der ganzen modernen Sachen nirgendwo komfortabler, flexibler und verlässlicher geht.
Wir freuen uns darauf!
Bild: unsplash.com / Debby Hudson