Standard oder nicht Standard – das ist hier die Frage

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Stan­dards sind DAS Erfolgs­re­zept der letz­ten 200 Jah­re. Ver­bind­li­che Fest­le­gun­gen füh­ren zu Wie­der­ho­lun­gen, mit denen sich Entwicklungs-, Planungs-, Dokumentations-, Schulungs- und Koor­di­na­ti­ons­auf­wen­dun­gen ein­spa­ren las­sen und Pro­duk­te und Leis­tun­gen mit stei­gen­der Anzahl der Wie­der­ho­lun­gen immer güns­ti­ger pro­du­ziert wer­den können.

Ent­spre­chend häu­fig spre­chen wir heu­te von „dem Pro­zess“ oder „unse­rem Stan­dard.“ Was wir damit mei­nen, bleibt dif­fus. Wor­an liegt das eigentlich?

Die strengs­te Form eines Stan­dards sind Bau­teil­zeich­nun­gen mit exak­ten Abmes­sun­gen und Tole­ran­zen. Und Arbeits­stan­dards in der Indus­trie. In ihnen ist fest­ge­legt, wer, wann, was, wie und womit aus­führt. Und wie lan­ge das jeweils dau­ern darf. Idea­ler­wei­se umfas­sen sie einen Arbeits­in­halt von jeweils 10 bis 15 Schrit­ten oder 30 bis 120 Sekunden.

Damit sich der Auf­wand für die Dis­kus­si­on, Fest­le­gung und Wei­ter­ent­wick­lung eines Stan­dards in allen Details lohnt, soll­te es sich ent­we­der um einen Hoch­si­cher­heits­vor­gang oder einen wie­der­hol­ba­ren Vor­gang han­deln, wovon wir bereits dann aus­ge­hen kön­nen, wenn etwas zum zwei­ten Mal geschieht. Aller­dings wür­den wir mit den häu­figs­ten Wie­der­ho­lun­gen begin­nen und zunächst die­je­ni­gen Akti­vi­tä­ten auf Stan­dar­di­sier­bar­keit prü­fen, die wöchent­lich oder häu­fi­ger vorkommen.

Ein wei­te­res Kri­te­ri­um ist die Varia­bi­li­tät zwi­schen den ein­zel­nen Wie­der­ho­lun­gen. Im Ide­al­fall gibt es nur eine ein­zi­ge opti­ma­le Kom­bi­na­ti­on, wie eine Akti­vi­tät im Rah­men einer Ket­te von Akti­vi­tä­ten erbracht wer­den kann. Bespiel sägen eines Hand­lau­fes an einer Säge: „Schritt 7 (von 10): nach­dem das Sägen been­det ist, öff­ne die Abde­ckung, löse die Ver­rie­ge­lung des Hand­lau­fes und ent­sor­ge die Rest­stü­cke in die Abfallkiste.“

Eine solch ein­deu­ti­ges Vor­ge­hen hat den Vor­teil, dass es kei­ne Aus­nah­men zulässt, mit Hil­fe einer Soft­ware oder Maschi­ne auto­ma­ti­sier­bar ist und im wei­te­ren Ver­lauf auch Gegen­stand der gemein­sa­men Über­prü­fung, Dis­kus­si­on und Wei­ter­ent­wick­lung sein kann. Neben­wir­kung: Je ein­deu­ti­ger die Fest­le­gung ist, des­to weni­ger indi­vi­du­el­le Frei­hei­ten gibt es und des­to höher sind auch die Ansprü­che an die dis­zi­pli­nier­te Ein­hal­tung bei der Ausführung.

Ein­deu­tig­keit kann dabei auch eine über­schau­ba­re Zahl an Vari­an­ten mei­nen. Z.B. wenn beim Zah­lungs­mit­tel zwi­schen Pay­pal, Kre­dit­kar­te und Last­schrift gewählt wer­den kann. Dann gibt es zwar drei unter­schied­li­che Vari­an­ten, die ihrer­seits aber in allen ihren Details ein­deu­tig defi­niert sind.

In der Pra­xis spre­chen wir häu­fig bereits von Stan­dards, wenn wir einen Pro­zess im Sin­ne einer Abfol­ge von Schrit­ten fest­ge­legt haben, die aber im Ver­gleich zu einem Arbeits­stan­dard NICHT voll­stän­dig defi­niert sind. Bei­spiels­wei­se die Schrit­te „Lie­fer­schein anle­gen“, „Lie­fer­schein dru­cken“ oder „Aus­gangs­rech­nung erstellen.“

Ein solch gro­ber Ablauf regelt nur die Kri­te­ri­en „was“ und „wann“. Regel­mä­ßig ist nicht fest­ge­legt, wer bzw. an wel­chem Arbeits­platz es getan wird, wie oder mit wel­chen Werk­zeu­gen. Dann ist die Detail­ab­fol­ge der ein­zel­nen Schrit­te jeweils anders, jeder benutzt ande­re Trans­ak­tio­nen im ERP, prüft ande­re Fel­der, erstellt ande­re Bei­la­gen in unter­schied­li­chen Lay­outs zu unter­schied­li­chen Zeit­punk­ten und behilft sich im Fal­le von Feh­lern jeweils auf sei­ne per­sön­li­che Wei­se. Damit vari­ie­ren dann sowohl die Ergeb­nis­se selbst, ihre Qua­li­tät als auch die jewei­li­gen Bearbeitungszeiten.

Die Ana­lo­gie in unse­rem Pro­duk­ti­ons­bei­spiel oben wäre „Bau­teil sägen“ als all­ge­mei­ne Zusam­men­fas­sung aller 10 Einzelschritte.

Streng genom­men ist das aller­höchs­tens ein Schein-Standard, bei dem sich hin­ter der gene­rel­len Nen­nung einer Akti­vi­tät gan­ze Gala­xien an indi­vi­du­el­len Vor­ge­hens­wei­sen ver­ber­gen, die die aller­meis­ten Vor­tei­le von Stan­dards außer Kraft set­zen. Ins­be­son­de­re ver­lei­ten Schein-Standards dazu, Aus­nah­men zu akzep­tie­ren, die viel­leicht nicht dem Schein-Standard wider­spre­chen, aber ein manu­el­les und damit hoch­in­di­vi­du­el­les Vor­ge­hen am ERP-System oder der Maschi­ne vor­bei bedeu­ten. In unse­ren Bei­spie­len wäre sogar die Benut­zung einer Hand­sä­ge mög­lich oder die Erstel­lung einer Rech­nung mit word.

Im Ergeb­nis hel­fen Schein-Standards nicht dabei, die Vari­anz unter Kon­trol­le zu hal­ten. Hin­ter dem schö­nen Schein des „Stan­dards“ wütet die Ein­zel­fer­ti­gung und mit ihr die Wirt­schaft­lich­keit des Mittelalters.

Wie kann in einer sol­chen Situa­ti­on ein Fort­schritt erreicht wer­den? Begin­nen wir mit den Pro­zes­sen mit der höchs­ten Zahl an Wie­der­ho­lun­gen: Sind die Ein­zel­schrit­te immer iden­tisch, unter­su­chen wir sie voll­stän­dig. Kommt es zu Varia­bi­li­tä­ten, suchen wir ein­zel­ne Abschnit­te, die immer iden­tisch sind oder sein soll­ten. Dann muss jeweils mit der Fra­ge nach der opti­ma­len Lösung oder der bes­ten aller Lösun­gen die Vari­anz auf eine oder maxi­mal eine Hand­voll Alter­na­ti­ven zurück­ge­führt wer­den. Im Detail legen wir idea­ler­wei­se alle sechs genann­ten Dimen­sio­nen (wer, wann, was, wie, womit und wie lan­ge) fest.

Damit wird klar, dass die ech­te Stan­dar­di­sie­rung in bestehen­den Pro­zes­sen eine auf­wen­di­ge und nahe­zu unmög­li­che Her­aus­for­de­rung dar­stellt, einen Kampf gegen gesam­mel­te Glau­bens­sät­ze, Ritua­le, Gewohn­heits­rech­te und Son­der­lo­cken. Ein Kampf gegen alle und jeden. Und sobald er ein­mal gewon­nen ist, beginnt erst der Kampf um Dis­zi­plin, Bei­be­hal­tung und Verbesserung.

Um den Auf­wand zu redu­zie­ren, wird des­halb immer nur punk­tu­ell, NACH Auf­tre­ten einer Vari­anz und je nach Schmerz und loka­ler Moti­va­ti­on stan­dar­di­siert. Was zu einer Teil­stan­dar­di­sie­rung führt, die die stän­di­ge Fra­ge pro­vo­ziert, ob es für einen Schritt über­haupt einen Stan­dard gibt, und bereits bei Nicht­wis­sen ein indi­vi­du­el­les Vor­ge­hen erlaubt. Im Ergeb­nis ist das der Grund, war­um die Pro­zess­land­kar­te aller älte­ren Fir­men einem irri­tie­ren­den Fli­cken­tep­pich aus Arbeits­stan­dards, Schein-Standards und ech­ter Ein­zel­fer­ti­gung gleicht.

Am ein­fachs­ten lässt sich vol­le oder ech­te Stan­dar­di­sie­rung beim Neu­start auf der grü­nen Wie­se errei­chen. Bzw. indem die Arbeits­rich­tung umge­dreht und von der Auto­ma­ti­sie­rung her gedacht wird: vom Stan­dard, den eine belie­bi­ge markt­gän­gi­ge Soft­ware bie­tet. Was den Nut­zern jeden Festlegungs-, Definitions- und Über­prü­fungs­auf­wand erspart. Sie müs­sen dann ledig­lich die bestehen­den alter­na­ti­ven Lösun­gen zum Stan­dard unter­sa­gen oder abschaf­fen. Durch Weg­las­sung, Umstel­lung oder das Aus­lo­ben eines Wech­sel­bo­nus für die Geschäftspartner.

Mit ech­ten manu­el­len Stan­dards las­sen sich für einen Pro­zess – je nach Stück­zahl – min­des­tens 50% der betrieb­li­chen Auf­wen­dun­gen ein­spa­ren. Im Fall der Auto­ma­ti­sie­rung steigt die Erspar­nis auf 99,5% der Auf­wen­dun­gen an. Damit ist die Stan­dar­di­sie­rung DER Weg zu Trans­pa­renz, Ein­fach­heit und Profitabilität.

Es ist noch nicht zu spät…

 

Bild: eigen

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