Vom Online-Briefträger

Einfach machen
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Change without change
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-eine Glos­se zum Zeitgeist-

Wer sich in die­sen Tagen Stel­len­an­zei­gen anschaut, wird auf den ers­ten Blick nichts Auf­fäl­li­ges fest­stel­len. Viel­leicht steht noch irgend­wo „in Teil­zeit oder hybrid.“ Dem Zeit­geist gehor­chend, domi­niert im Wei­te­ren das Wett­ren­nen um die üppigs­ten Neben­leis­tun­gen. Kom­fort in Hoch­po­tenz. Die tie­fen Ängs­te der Arbeit­ge­ber eröff­nen sich erst im Gespräch: „sind Sie denn auch bereit, vor Ort zu sein?“ Oder „sind Sie auch bereit, Hands-on Din­ge im Detail vor­an­zu­trei­ben und sel­ber umzu­set­zen?“ Und damit erst wird das Dilem­ma unse­rer Zeit offen­bar: Ganz offen­sicht­lich ist es zur Regel gewor­den, sich den Tag über aus dem Home-Office zu Gesprä­chen zu ver­ab­re­den, um dann dar­über zu bera­ten, an wen eine Infor­ma­ti­on oder Fra­ge wei­ter­ge­ben wird. Eine Art Schwarzer-Peter-Spiel in der nagel­neu­en Zuständigkeits-Edition. Ein Kun­den­mit­ar­bei­ter sag­te kürz­lich zu einem Kol­le­gen im Scherz „Du hast es doch gut, so als Online-Briefträger.“

Wirk­lich was tun, anpa­cken, was ver­än­dern? Die Aus­nah­me. Wie auch, so ganz allei­ne von zu Hau­se aus. Wäh­rend die Blau­män­ner in der Fir­ma viel­leicht noch was „schaf­fen“, sind die Meis­ten abends nur „geschafft“. Vom Teams-Dating im 30-Minuten-Takt. Ohne Vor- und Nach­be­rei­tung hin­ein­sprin­gen, zack zack, „wer machts, ich glau­be, das ist was für den Peter in Malay­sia“, idea­ler­wei­se sagt dann noch einer „alles klar, ich schrei­be ihn gleich mal an.“

Ich bin gespannt, wann die ers­ten Fir­men mer­ken, dass sich im Home-Office-Nebel der ver­gan­ge­nen Jah­re Kom­mu­ni­ka­ti­ons­struk­tu­ren gebil­det haben, in denen vor­nehm­lich Wie­der­ge­kau­tes hin- und her­schwappt, und nur noch sel­ten Ein­fluss auf die Wert­schöp­fung genom­men wird. Und des­sen redu­zier­ter Nut­zen sich nicht mit Mausclick-Zählern mes­sen lässt. Und wann wer­den die Men­schen mer­ken, dass sie ihr Geld nur noch für laue Gesprächs­zir­kel und Brief­trä­ge­rei erhal­ten, was ihnen zwar das woh­li­ge Gefühl von Beschäf­ti­gung ver­mit­telt, aber weder per­sön­li­ches Wachs­tum noch Erfol­ge beschert?

Viel­leicht braucht es für eine Rich­tungs­kor­rek­tur mal einen Black­out. In dem Dank Not­strom­ag­gre­ga­ten die Fabri­ken wei­ter­lau­fen, wäh­rend die Debat­tier­clubs in ihren workation-lofts von der betrieb­li­chen Rea­li­tät abg­schnit­ten wer­den. Und alle Betei­lig­ten mer­ken „Mensch, es geht ja auch ohne.“ So wie damals bei Corona…

P.S. Über die Nach­tei­le von Home-Office für die Wert­schöp­fung haben wir bereits vor eini­ger Zeit einen fak­ten­rei­che­ren Bei­trag veröffentlicht.

Bild: unsplash.com/Pawel Czerwinski

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